Die Reise zur Geburt meiner Zwillinge beginnt an einem Freitag, den 13. Zum Valentinstag gab es einen positiven Schwangerschaftstest.
Ich sage zu meiner Freundin: K., dieser Gedanke mit den Zwillingen geht mir nicht aus dem Kopf. Alles nicht so ernsthaft. Aber auch nicht so ganz aus Spaß. Das Gefühl krieg ich nicht weg. Ich sitze also im Wartezimmer, zücke mein Smartphone und google, wie denn ein Ultraschall aussehen würde, wenn tatsächlich zwei Babys in meinem Bauch wären. Die Ärztin ruft mich rein. Ultraschall an. „Ah, okay…“
Was stimmt denn hier nicht?
„Das sieht ein bisschen nach doppeltem Nachwuchs aus.“ Ich wundere mich nicht und wundere mich doch.
„Aber die Herzen schlagen beide?“ „Ja.“
„Sie Arme“, sagt sie zu mir.
Ich fühle mich nicht eine einzige Sekunde „arm“.
Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt?
Abends sitze ich auf der Fensterbank und befrage Google nach natürlichen Zwillingsgeburten. Ich sage mir, dass ich definitiv einen Kaiserschnitt nehme.
Am Ende wünschte ich mir nichts sehnlicher als eine natürliche Geburt. Wie eine Besessene fieberte ich dem Tag entgegen, an dem die Zwillinge ganz offiziell nicht mehr als Frühchen galten. Denn dann kann ich in meiner absoluten Wunschklinik entbinden. Hier habe ich etwas über 2 Jahre zuvor meinen Sohn geboren. 16 Tage nach ET.
Das Thema ET bei Zwillingen ist so eine Sache. Woche 38 ist die gefühlte Woche 40. Über Woche 38 gehen ist wie „übertragen“. Im Mutterpass steht aber der normale „Einlings-ET“.
Einleitung oder der natürliche Gang der Dinge?
Rund drei Wochen vor diesem ET begannen meine fast täglichen Termine im Krankenhaus. Zu Bestzeiten sogar zweimal täglich. Dabei fühlte ich mich nicht eine Sekunde krank oder risikoschwanger. Es war aufregend, aber auf eine positive Weise. Bei jedem CTG las ich in der Biografie von Astrid Lindgren.
Richtlinien sagen, dass es mit vollendeter Woche 38 nun höchste Zeit für eine Einleitung ist. Die täglichen Kontrollen aber sagten: alles bestens. Und das war es auch, was ich fühlte. Auch wenn ich mich mit meinem riesigen Bauch so wirklich gut nur noch auf allen vieren fortbewegen konnte. Aber ich will, will, will nicht einleiten. Für mich die absolut letzte Wahl und Horrorvorstellung des Jahrhunderts. Ich versuchte alles, das zu verhindern. Extra viel Zimt, Globuli aller Art, Nelkenöl. Eipollösung. Ganz zu schweigen von meinem wochenlangen Zuckerverzicht. Es half alles nichts.
Letztlich unterschrieb ich, dass ich mich gegen ärztlichen Rat gegen eine Einleitung entscheide. Ich wusste, dass alles gut war. Ich traf meine eigenen Entscheidungen. Mehr als je zuvor in meinem Leben. Darum ist diese lange Reise zur Geburt meiner Zwillinge eine der selbstbestimmtesten Erfahrungen, die ich je machen durfte.
Liebe Wehen, bitte kommt und bleibt!
Ich näherte mich der Vollendung der Woche 40. Langsam bangten die Ärzte. Wie lange würde ich es noch ausreizen? Ich glaube, alle atmeten auf, als ich einer Einleitung am ET zustimmte.
Als ich am Tag vorher stationär aufgenommen wurde, hatte ich, wie öfter in den letzten Wochen, Wehen. Dieses Mal waren sie so stark, dass die Hebammen mir sofort einen Kreißsaal sicherten und schon mal die Wärmelampe anschalteten.
Wow, dachte ich. Ich komme in letzter Sekunde um die Einleitung herum. Schnell meinen Mann anrufen. Die zwei diensthabenden Hebammen gaben alles, dass hier endlich was in Gang kommt. Ich auch. Ich spazierte wie eine Irre durch den Kreißsaal. Becken kreisen. Atmen. Tanzen. Und doch: Die Wehen verschwanden. Es fühlte sich an wie eine Geburt, die dann in letzter Sekunde abgeblasen wurde. Ich hörte nicht auf zu hoffen, am nächsten Morgen endlich mit den richtigen Wehen aufzuwachen.
Aber so sollte es nicht sein. Ich stand kurz davor, Angst zu bekommen. Dann beruhigte ich mich und ich ließ los. Dann eben mit Einleitung.
Es geht los. Jetzt wirklich.
Ich kam morgens im Kreißsaal an. Hebamme D. war da. Mittlerweile kannte ich sie schon gut. Von Beginn an hatte sie große Lust auf diese Geburt. Sie war so lieb zu mir, die ganze Zeit. Sie wollte sowas von unbedingt dabei sein. Und am Ende war es genau so. Sie war da. Von Anfang bis Ende.
Ich bekam einen Wehentropf. Es ging mir gut. Ich hatte wieder ein paar gute Wehen. Die konnten aber niemals ausreichen, um meine beiden Kinder zu gebären. Es passierte nicht viel. Wir quatschen, lachten, hörten Star FM und aßen noch gemütlich Mittag, während der Tropf so vor sich hin tröpfelte. Er musste letztlich voll aufgedreht werden, um eine Wirkung zu zeigen. Ich wollte mich bewegen. Nicht, weil ich es so wahnsinnig angenehm fand. Aber ich hatte den Eindruck, dass das meine Wehen verstärkt und mich schneller zum Ziel bringt. Ich tönte, tönte, tönte. In den Wehenpausen entspannte ich.
Ich war glücklich. Es war heftig, denn es war nicht das Tempo meines Körpers. Aber ich kam damit klar. Ich nahm es an. Mit dem Tönen kam ich gut über die Runden. Das riesen Gewusel im Kreißsaal war nebensächlich. Für mich war klar, dass alles gut ist. Die Presswehen kamen und ich kam mit dem Tönen nicht weiter. Nun war ich nicht mehr so guter Laune.
Als dann aber um 17:14 Uhr meine Tochter mit 3240 Gramm geboren wurde, war ich einfach nur überwältigt. Ich konnte es nicht fassen. Ich glaube, ich habe es selbst nicht mehr für möglich gehalten, dass diese Geburt jemals stattfinden wird. Der inzwischen gut gefüllte Kreißsaal war irgendwie eins mit mir. Mit uns. Tränen flossen. Was ich einmal geschafft habe, schaffe ich auch nochmal.
Um 17:30 Uhr kam mein Sohn mit 3400 Gramm zur Welt. Problemlos. Ich hab mir das immer ganz furchtbar vorgestellt. Zu wissen: Jetzt muss ich nochmal! Aber nein, das Gegenteil war das Fall. Die erste Geburt hatte mich motiviert, die zweite auch noch zu rocken.
Diese Reise zur Geburt meiner Zwillinge war eine unglaubliche Erfahrung, für die ich unbeschreiblich dankbar bin. Auch dafür, dass ich das Glück hatte, dass medizinisch alles gut war und dass es ein Team gab, das mich so sehr unterstützt hat.
Ich hoffe, dass meine Geschichte allen werdenden Zwillingsmamas Mut macht. Es kann auch ganz anders laufen als Statistiken sagen. Hört auf euren Körper, er zeigt euch den für euch richtigen Weg!
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