Anne-Marie und ich, Inga, sind Frühchenmamas von Zwillingen. Die Zwillinge von Anne-Marie sind eineiig und meine Zwillinge zweieiige Mädchen. Uns beide verbindet die Geschichte unserer Frühgeburt und dem Leben mit Zwillingsfrühchen. Wir beide haben einen besonderen Start ins Leben als Zwillingseltern erlebt.
Im Zwillingstalk Frühchenmamas
teilen wir unsere Erlebnisse, Erfahrungen und Empfindungen. Ehrlich und offen möchten wir damit Einblicke gewähren und dem Thema Frühgeburt einen Raum geben.
Eine Frühgeburt ist ein sensibles und emotionales Thema. Es gibt viele Fachseiten, die sich damit beschäftigen. Wir möchten Dir hier jedoch Einblicke verschaffen und Hoffnung schenken. Vielleicht erhälst Du damit die Gelegenheit Dich mit bestimmten Aspekten im Vorhinein zu beschäftigen. Vielleicht befindest Du Dich in einer ähnlichen Situation wie Anne-Marie oder Inga befinden oder befunden haben. Vielleicht möchtest Du die Menschen und ihre Empfindungen hinter dem Thema Frühgeburt entdecken. Was auch immer Dein Beweggrund ist: Dein Wohlergehen liegt uns am Herzen. Bitte prüfe und entscheide für Dich selbst, ob Du Dich mit dem Thema Frühgeburt auseinandersetzen möchtest, bevor Du weiterliest.
Frühchenmamas – Die Zwillingsschwangerschaft
Inga: „Mit 34 Jahren wurde ich nach langem Kinderwunsch mit zweieiigen Zwillingen schwanger. Wir waren überglücklich. Ich habe jeden Tag der Schwangerschaft genossen und mich sehr auf meine Zwillingsherzdamen gefreut. Das erste Trimester verlief recht unkompliziert von bekannten Unannehmlichkeiten wie Müdigkeit und Übelkeit ganz abgesehen.
Mir war recht klar, dass ich die Zwillinge in einem Krankenhaus mit Neonatologie zur Welt bringen wollte und glücklicherweise hatte ich die Wahl zwischen verschiedenen Einrichtungen mit einer Level 1 Klinik, die auf Frühchen spezialisiert sind.
Im Grunde lief die Zwillingsschwangerschaft bis zur 19 SSW recht gut, bis zu dem Tag als ich „Seitenstechen“ bekam. Als diese auch in der Nacht nicht aufhörten fuhr ich zu meinem Gynäkologen. Dieser stellte eine Zervixinsuffiziens und die Verkürzung des Gebärmutterhalses auf 1,3 cm fest. Er handelte sofort und überwies mich ins Krankenhaus.
Auch wenn der Gedanke Frühchen wohl an wenigen werdenden Zwillingsmamas vollständig vorbei geht, war dies der Moment, wo ich mich das erste Mal mit dem Thema Frühgeburt eingehender beschäftigt habe. Wie war das bei Dir Anne-Marie?“
Anne-Marie: „Der erste Teil deines Berichtes hätte fast von mir sein können. Auch bei uns dauerte der „Weg zum Wunschkind“ etwas länger, knappe zwei Jahre. Umso größer die Freude als wir dann doch überraschenderweise einen positiven Test in der Hand hielten. Wir sind zunächst von einem Baby ausgegangen, erst in der 11. Woche konnte die zweite Lady entdeckt werden. Das erklärte dann zumindest auch das nahezu unerträgliche Erbrechen.
Mit meiner Mo-Di-Schwangerschaft wurde ich sehr engmaschig überwacht. Da bei uns der Verdacht auf FFTS bestand, war ich in der einen Woche bei der Frauenärztin und in der nächsten Woche zusätzlich in der Klinik. In meiner Stadt ist die Klinik Gott sei Dank ebenfalls eine Level-1-Klinik.
Ich fand mich auch gut, dass ich so viel Wissen überhaupt schon hatte. Aber sonst – hatte ich von Frühgeburt ungefähr gar keine Ahnung. Neo-was? Glücklicherweise verlief meine Schwangerschaft bis über die 30. Woche hinaus sehr problemlos. Erzähl doch mal, Inga, wie hast du dich gefühlt als du in einer so frühen Schwangerschaftswoche mit einer Frühgeburt konfrontiert gewesen bist?“
Frühchenmamas – Eine Frühgeburt kündigt sich an
Inga: „Mit dem Tag der Diagnose lag ich bis zur späteren Geburt im Krankenhaus. Wie Du Dir vorstellen kannst, nahm bei mir das Thema Frühgeburt mit diesem Zeitpunkt den größten Raum ein. Ich recherchierte im Internet, ab welchem Zeitpunkt die Babys als lebensfähig eingeschätzt werden, welche Folgen eine Frühgeburt je nach Geburtszeitpunkt haben könnte und setzte mir jede Schwangerschaftswoche das Ziel, noch eine weitere Schwangerschaftswoche mit meinen Zwillingen im Bauch zu schaffen.
Das Klinikpersonal klärte mich zusätzlich über meine Möglichkeiten auf. Wir entschieden, dass ich im Krankenhaus bleiben würde und zu einem festgesetzten Zeitpunkt eine Lungenreifespritze erhalten sollte. Diese soll den Start bei einer möglichen Frühgeburt für die Babys erleichtern. Ich fieberte auf diesen Tag der Schwangerschaft förmlich hin.
Ich hielt strenge Bettruhe ein, versuchte mich abzulenken und um jeden einzelnen Tag zu kämpfen. Ich machte wirklich jeden Tag den ich schaffte drei Kreuze und sprach innerlich mit den Kindern, dass wir das gemeinsam schaffen würde. So merkwürdig es sich vielleicht anhören mag, war ich erst einmal dankbar es bis zu dem Zeitpunkt geschafft zu haben, an dem die Zwillinge überhaupt eine Überlebenschance hatten. Ich wollte sie lebend in meine Arme schließen. Ich war mir sicher, alles andere würden wir schaffen.
Es war also nicht die mögliche Frühgeburt, die mich hauptsächlich beschäftigte, sondern die Angst meine Kinder nicht lebend auf die Welt bringen zu können. Also kämpfte ich trotz Blasensprung bei einem Zwilling, trotz Infektion mit anschließender Antibiotikagabe, trotz dauerhaften Wehenhemmer, der mich zittern ließ. Ich wollte diese Kinder und habe es tatsächlich bis zu SSW 28.0 geschafft.
Ich hatte wie Du merkst, sehr viel Zeit mich mit dem Thema Frühgeburt zu beschäftigen und es war für mich kein Schreckensgespenst (mehr). Ich vermute aber, wäre es eine plötzliche, unerwartete Entwicklung gewesen, hätte mich das komplett aus der Bahn geworfen und überfordert. Es hört sich für die einen oder anderen vielleicht nicht nachvollziehbar an, aber so habe ich ganz persönlich es erlebt. Wann wurdest Du mit der Nachricht einer drohenden Frühgeburt überrascht und welche Gefühle und Gedanken hat es bei Dir ausgelöst?“
Anne-Marie: „Ich hatte tatsächlich gar keine Chance mich vorzubereiten. Bei 31+3 hatte ich nachts einen Blasenriss und bin natürlich ins Krankenhaus gefahren. Ich hatte daher noch die Chance auf die erste Lungenreife.
Am darauffolgenden Morgen – Silvester übrigens – hatte ich ein Gespräch mit einem Kinderarzt der Neo. Er war total zuversichtlich und sagte sinngemäß „Ach zwei, drei Wochen schaffen wir noch“. Er klärte mich auch über die möglichen Folgen einer Frühgeburt auf. Aber ehrlich? Nichts davon kam wirklich bei mir an. Selbst da hatte ich noch keinen blassen Schimmer was eine Frühgeburt tatsächlich bedeutet.
Noch am selben Tag bekam ich Wehen. Die sehr hoch eingestellten Wehenhemmer sind mir gar nicht gut bekommen. Ich fühlte mich – ähnlich wie du auch- über Stunden hinweg als würde ich einen Marathon laufen. Da war mir klar, das wird nichts mehr.
Aufgrund der Corona-Situation war ich auch die ganze Zeit allein, extrem belastend wie ich finde. Der Muttermund öffnete sich trotz aller Bemühungen immer weiter und dann war Eile geboten, sie müssen geholt werden. Jetzt! Es wurde gewartet bis mein Freund kam und dann ging es sofort los. Nicht mal 24h waren seit dem Blasenriss vergangen. Doch muss ich sagen, dass es sich für mich auch da noch nicht wie ein „Schreckgespenst“ angefühlt hat. Das sollte sich später allerdings natürlich noch ändern.
Tja, und da waren wir dann, allein im Kreißsaal, ohne unsere Babys, die ja sofort auf die Neo mussten. Frohes Neues auch. Erzähl doch mal, wie es bei dir weiterging. Du hast ja unheimlich tapfer gekämpft.
Frühchenmamas – Die Frühgeburt
Inga: Am Abend vor der Geburt der Zwillinge bekam ich starke Wehen, trotz Wehenhemmer. Diese wurden immer stärker und ich lag am Dauer-CTG. Die Ärztin untersuchte mich und stellte eine grünliche Verfärbung des Fruchtwassers fest, was auf eine Infektion hinwies. Daher entschieden sie sofort einen Kaiserschnitt zu machen.
Ich wurde für die OP vorbereitet, mein Mann wurde informiert, der am Nachmittag nach Hause gefahren war. Zum Glück schaffte er es noch rechtzeitig mit mir in den OP. Da lag ich nun und konnte kaum glauben, dass in wenigen Minuten meine Kinder zur Welt kommen sollten. Der OP war sehr voll, ich erinnere mich nicht wie viele Menschen dort waren, aber es wirkte auf mich sehr trubelig. Mein Mann saß an meinem Kopf, hielt meine Hand. Ich hatte eine Teilnarkose gesetzt bekommen und außer einem Ruckeln und Drücken verspürte ich nichts. Eine Schwester sprach mit mir und berichtete zu jedem Zeitpunkt was geschah.
Als meine erste Tochter geboren war, hörte ich ein zartes Schreien. Sie wurde mir kurz gezeigt und dann direkt zur Erstversorgung und U 1 gebracht. Mein Mann begleitete sie, während meine zweite Tochter zwei Minuten später geboren wurde. Diese hatte Startschwierigkeiten, so dass sie direkt,ohne dass ich sie sehen konnte, zur Versorgung gebracht wurde.
Beide wurden auf die Neonatologiestation verlegt, mein Mann begleitete sie, während meine OP abgeschlossen wurde. Danach wurde ich in einen Aufwachraum verlegt, wo ich mehrere Stunden verbrachte. Ohne meine Kinder, ohne meinen Mann und ohne das Wissen, wie es meinen Kindern geht. Diesen Start hatte ich mir anders vorgestellt, darauf war ich nicht vorbereitet. Meine Kinder waren geboren, doch waren sie gesund?
Mit dieser Frage endet der erste Teil unseres Zwillingstalk: Frühchenmamas – die Zwillingsschwangerschaft. Zwei Zwillingsmamas, zwei Schwangerschaftsverläufe, zwei verschiedene Erfahrungen. Wie es weiterging, darüber sprechen wir im nächsten Teil des Zwillingstalk Frühchenmamas.
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