Sylvia (*Name von der Redaktion geändert) erfährt dass sie schwanger ist und dies mit einer der seltenen Formen an eineiigen Zwillingen. Sie erlebt eine monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft und spricht mit uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen:
Liebe Sylvia, magst Du das Gefühl beschreiben, als Du erfahren hast, dass Du mit Zwillingen schwanger bist?
Insgeheim habe ich mir Zwillinge gewünscht und mich gefreut als beim zweiten Ultraschall ein zweites Baby zu sehen war. Mein Mann war da erst verhaltener und dachte sich „Wie cool, und wie kriegen wir das bloß hin?!!?!“. Nach einer Woche hat aber auch bei ihm die Freude überwogen. Wir sind Eltern mit Ü40 und es ist fühlt sich gut an zu wissen, dass die beiden sich ein Leben lang haben werden.
Du bist eine der Frauen, die eine monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft diagnostiziert bekommen haben. Wann und wie wurde Dir dies mitgeteilt und konntest Du die Besonderheit überhaupt einordnen?
Meine Frauenärztin hat mir sachlich erklärt, was die Situation sein könnte, wenn es wirklich eine monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft ist. Vor allem meinte sie, dass ich mich auf ein frühes Beschäftigungsverbot, auf einen Klinikaufenthalt und auf viele Untersuchungen einstellen muss. Auf meine Frage, was die Risiken sind, meinte sie nur: „Ich bin ein positiv denkender Mensch!“. Den Risiken nicht viel gedanklichen Raum zu schenken, hat uns Zuversicht gegeben. Geschluckt habe ich kurz als sie auf meine Frage wie viele dieser Schwangerschaften sie pro Jahr betreut, antwortete, dass es im letzten Jahr zwei waren und das wäre viel. Das hat mir schon zu denken gegeben, auch als ich später im Pränantalzentrum und in der Klinik ähnliche Zahlen gehört habe. So blieb uns nichts anderes übrig als der Situation zuzustimmen und den Babies und der Natur zu vertrauen, dass alles gut gehen wird. Ich habe mir oft gesagt, dass alles gut gehen wird, denn die zwei Mädels wollen bestimmt leben. Immerhin sagt die Statistik auch, dass die überwiegende Mehrheit der Mono-Mono-Schwangerschaften heutzutage in unseren Breitengraden gut ausgeht.
Wie ist Deine monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft verlaufen? Wie ging es Dir/ Euch?
Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, ich habe mich die meiste Zeit fit gefühlt und habe bis zum Schluss noch Sport gemacht. Trotzdem war ich bis zur 25. Woche verhalten-freudig. Als ich meinen letzten Termin im Pränatalzentrum hatte, etwa um diese Zeit, kam mir auch die Ärztin viel gelösterer vor als die Male davor. Da ist mir bewusst geworden, dass es vielleicht doch nicht so selbstverständlich war, dass wir bis dahin gekommen sind.
Welche Untersuchungen standen an und haben Dir die zahlreichen Untersuchungen Sicherheit gegeben oder Dich eher verunsichert?
Beides gleichzeitig. Jedes Mal ging die Sorge paar Tage vor den Terminen los. Auch wenn es nie etwas zu beanstanden gab, habe ich nach jedem Termin erstmal geweint, um die Anspannung los zu werden. Einerseits haben mir die vielen Termine Sicherheit gegeben, aber gleichzeitig fand ich es auch anstrengend und zum Ende hin war ich oft auch genervt davon. Ich hatte über 50 CTGs und konnte die am Ende auch selbstständig anlegen. Auf die Ultraschallbildern war ich irgendwann auch nicht mehr heiß. Hätte mein Mann nicht das Geschlecht der Babies wissen wollen, hätte ich auf die Info verzichtet, um zumindest etwas “unkontrolliertes” zu erleben.
Wie sahen Deine Wünsche rund um die Geburt aus? Was wurde Dir im Hinblick auf die Mono-Mono Zwillingsschwangerschaft angeraten?
Es war klar, dass es einen Kaiserschnitt in der 32. Schwangerschaftswoche sein wird. Das sagt die Leitlinie für eine monochorial-monoamniote Zwillingsschwangerschaft und da gab es kein Verhandlungsspielraum. Was ich aber verhindern konnte war, dass ich schon in der 25. Woche stationär aufgenommen werde. Bis zur 29. Woche bin ich morgens und abends zum CTG geradelt. Am liebsten wäre ich auch länger daheim geblieben, da ich keine 2 km von der Klinik weg gewohnt habe, aber in der 29. Woche habe ich mich der Empfehlung der Ärzt*innen ergeben. Der Krankenhausaufenthalt war seltsam: mir ging es körperlich gut und alle Untersuchungen waren unauffällig. Mental war es dafür umso anstrengender: ich habe meinen Mann vermisst und einige unschöne Erlebnisse um Schwangerschaften und Geburt in der Klinik mitbekommen. Das war anstrengt sich davon nicht runterziehen zu lassen. Ich habe dann das Beste aus der Situation gemacht und viel Zeit im Krankenhausgarten auf meiner Yogamatte verbracht oder mit Freunden telefoniert. Ein Vorteil an dem dreiwöchigen Aufenthalt und den vielen CTGs davor war aber, dass ich die meisten Hebammen und Ärzt*innen währenddessen kennengelernt und mich dadurch nicht fremd in der Klinik gefühlt habe.
Wie hast Du Deinen Kaiserschnitt erlebt?
Ich war dem Kaiserschnitt gegenüber recht emotionslos eingestellt. Ich wusste, dass es keine Alternative gibt. Als die beiden frisch geschlüpften Babys uns nacheinander gezeigt wurden, habe ich auch erst gar nicht verstanden, dass das unsere Töchter sind. Kurz nach der Geburt durften wir die beiden begrüßen. Die Situation war sureal: beiden Babies lagen so winzig klein in ihren Inkubatoren, man höre das Piepen und es waren so viele Menschen mit im Raum. Wir hatten das große Glück, dass beide zwar zart (unter 1500 Gramm), aber vital und gesund waren. Auch wenn wir gerne ein „normales“ erstes Kennenlernen mit den Mädels gehabt hätten, war alles ok für uns, so wie es gelaufen ist. Heute ist es so, dass ich ab und zu wehmütig daran denke, wie schön es gewesen wäre, eine natürliche Geburt mit Wehen und ein “gewöhnliches” Wochen zu erleben.
Wie sind die ersten Tage nach der Geburt Deiner Zwillinge verlaufen?
Das verlief leider nicht so toll, lag aber nicht an den Zwillingen, sondern Corona hat es uns nicht einfach gemacht. Erst gab es den Verdacht, dass ich im Krankenhaus Kontakt zu einer Coronainfizierten hatte und daher musste ich direkt nach der Geburt in Isolation. Wir konnten dann knapp 24 Stunden lang nicht zu den Kindern. Das war nicht schön. Beruhigt hat mich, dass das Abpumpen gut geklappt hat und ich den Babies alle 3 Stunden Milch schicken konnte. Das Abpumpen war meine Verbindung zu den Kindern. Auch die Pflegekräfte und Ärzte auf der Neo waren fantastisch. Ich wusste immer, dass die Zwillinge gut aufgehoben sind und viel Liebe erfahren. Ich habe die Hoffnung, dass sie auf der Neo unbewusst die Erfahrung gemacht haben, dass auch andere Menschen – neben Mama und Papa – gut zu ihnen sind und sich das in ihrem Urvertrauen verankert.
Wann durftet Ihr gemeinsam nach Hause?
Nach sechs Wochen durften wir zusammen heim. Davor wurden wir noch für vier Wochen in eine andere Klinik 90 km von zu Hause verlegt. Leider macht der Pflegekraftmangel nicht halt vor der Neonatologie und da die Mädels keine spezielle medizinische Betreuung benötigt haben, würden wir gefragt, ob wir mit einem Kind tauschen würden. Ein Vorteil war, dass ich als Begleitperson mit aufgenommen wurde, und nach einiger Zeit auch das Zimmer mit den Mädels teilen konnte. Dann ging es nur noch darum abzuwarten bis beide stabil atmen und gut trinken. Am Ende waren es sechs Wochen und die letzten zwei waren sehr zäh. Immer wieder die Hoffnung die Klinik verlassen zu können und dann doch wieder ein Sauerstoffabfall und paar Tage wurden drangehängt.
Wie geht es Dir / Euch heute?
Uns geht es gut. Wir kämpfen uns durch den alltäglichen Wahnsinn als Zwillingseltern. Die Zwillinge entwickeln sich prächtig und der Kinderarzt hat bei der U4 konstatiert, dass sie für ihn keine Frühchen mehr sind. Wir sind dankbar, dass die Mono-Mono-Schwangerschaft und Frühgeburt keine negativen Folgen hat.
Was hättest Du gerne vorher gewusst?
Mir war nicht bewusst, dass die Kinder so lange in der Klinik bleiben werden bzw. ich wollte es nicht wahrhaben. Irgendwie dachte ich, dass wir nach 2-3 Wochen nach Hause können. Was ich an der Zeit in der Klinik frustrierend fand war, dass ich mich nicht als Mutter der beiden gefühlt habe. Es waren andere die entschieden haben und je länger wir in der Klinik waren desto mehr hat mich das geärgert.
Was hätte Dir mehr Zuversicht geschenkt?
Mir hat Zuversicht geschenkt, dass die Ärzte sehr entspannt damit waren, dass die zwei in der SSW 32 zu Welt kommen werden. Unzuversichtlich waren wir nie während der ganzen Zeit.
Was würdest Du werdenden Zwillingsmamas, gerne mit auf den Weg geben?
Setzt Euch mit dem Thema Frühgeburt auseinander. Wir hatten die Gelegenheit die Neonatologie im Vorfeld zu besuchen. Auch haben wir uns seriöse Dokus über Frühchen angesehen – damals gab es auf ARTE die Doku Frühstart Leben. Uns hat es Zuversicht gegeben zu wissen, was auf uns zukommen könnte. Und nicht zuviel googeln. Was ich aber gut fand war die aktuelle Leitlinie zu Zwillingsschwangerschaften zu lesen. Lasst Euch noch der Entbindung die Plazenta zeigen mit den beiden Nabelschnüren. Wir haben auch ein Bild davon gemacht und werden das sicherlich auch irgendwann den Kindern zeigen. Stimmt der Mono-Mono-Schwangerschaft zu, aber erlaubt euch auch mal traurig, wütend und ängstlich zu sein. Das ist für uns einfach gesagt, da alles gut gegangen ist. Aber am Ende hat man keinen Einfluss drauf, ob es zu einem Transfusionssyndrom kommt oder die Nabelschnüre sich verknoten. Das kommt seltener vor als man denkt und leider birgt jede Schwangerschaft ein Risiko. Wichtig ist, dass man Ärzte hat denen man vertraut und die positiv mit der Schwangerschaft umgehen. Seid bereit das zu machen, was ihr blöd findet, wie z.B. früher in die Klinik zu gehen, so viele Untersuchungen zu haben oder der Kaiserschnitt. Darüber hinaus vergesst Eure Bedürfnisse und Euer Wohlbefinden nicht.
Liebe Sylvia, wir danken Dir von Herzen, dass Du mit uns und den LeserInnen Deine Erfahrungen teilst. Wir hoffen dass damit viele werdende Mütter und Väter von mono-mono Zwillingen Hoffnung schöpfen können und sehen, dass sie nicht alleine mit dieser Erfahrung sind.
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