Über das Trockenwerden der Zwillinge: Ein Erfahrungsbericht

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Mit der Schwangerschaft und der Geburt der Zwillinge gehen viele Fragen einher, die wir für uns beantworten müssen. Sei es nach der Ernährungsform, ihrer Entwicklung, ihrem Wohlbefinden. Mit jedem Meilenstein den die Zwillinge erreicht haben, verändern sich diese Fragen und irgendwann kommt die Frage nach dem Trockenwerden der Zwillinge auf. Wie so oft bei zwei Kleinkindern, hat hier jedes Kind sein eigenes Tempo und seine individuelle Konstitution. Wie sehr mir dies meine eigenen Zwillinge gezeigt haben, dies möchte ich gerne folgend mit Dir teilen.

Die ersten Schritte zum Trocken werden

Es ist 2:00 morgens. Weinend steht Zwillingsherzdame 1 vor meinem Bett: „Mama, ich habe eingepullert!“ Ein Drama für mein Kind, welches in den Nächten häufig wiederkehrt. Zwillingsherzdame 1 ist fünf Jahre alt und unglaublich unglücklich über jeden nächtlichen Unfall. Denn mit ca. 2 ½ Jahren, wurde sie am Tage und auch in der Nacht trocken. Stolz setzte sie sich auf die Toilette und freut sich über jeden Tag und jede Nacht ohne Unfälle. Und wir freuen uns mit. Ihre Zwillingsschwester hingegen hatte zwar am Tag keinerlei Unfälle und rannte immer schnell auf die Toilette, in der Nacht jedoch, war ein Windelhöschen für die Nacht noch notwendig. Ein halbes Jahr später, rund um den dritten Geburtstag der Zwillingsherzdamen, wurde Zwillingsherzdame 2 auch in der Nacht trocken und schläft seit her, ohne Unfälle einen trockenen Schlaf. Wir waren froh und sicher, das Thema Trockenwerden der Zwillinge haben wir gut gemeinsam gemeistert. Und dann fing es an.

Bettnässen in der Nacht

Kaum war Zwillingsherzdame 2 Tag und Nacht trocken, nässte Zwillingsherzdame 1 in der Nacht wieder ein. Jede Nacht fing sie an zu weinen, stand vor unserem Bett, völlig aufgelöst, erschöpft und wollte einfach nur von uns aufgefangen und gehalten werden. Mir tat es ungemein leid. Wir trösten sie und sprachen ihr gut zu, wir sagten ihr, dass wir verstehen wie traurig sie das mache und wir das ganz sicher hinbekommen würden. Wir ermutigten sie dazu

  • vor dem Schlafen noch einmal auf die Toilette zu gehen,
  • nachts zu versuchen aufzustehen
  • und direkt vor dem Schlafen nicht noch einmal große Mengen zu trinken.

Wir machten ihr in der Nacht ein kleines Licht im Bad an, so dass sie den Weg ohne jegliche Angst finden konnte. Doch es half nichts, die nächtlichen Unfälle blieben. Ein Windelhöschen wollte sie partout nicht, denn sie war ein großes Mädchen. Aber sie litt sehr. Und wir mit ihr. Ich sprach mit meinem Mann wie wir unserem Kind helfen könnten, ob es möglicherweise emotionale oder körperliche Ursachen für das Bettnässen geben könnte. Vielleicht brauchten wir eine Diagnose eines Arztes, jedenfalls eine Lösung. Denn von allen Seiten hörte ich Kommentare, statt Lösungsansätze:

„Zieh ihr doch einfach eine Windel an, auch wenn sie das nicht will. Du bist schließlich die, die dies entscheidet.“ „Geht mit ihr zum Arzt, sie hat sicher ein Blasenproblem.“ „Also, als ihr Kinder wart, waren alle Kinder nach einem Jahr trocken, das liegt an Eurer Inkonsequenz.“ „Normal, ist das aber nicht, dass Kinder in diesem Alter noch einpullern.“

Ich war gelinde gesagt schockiet, entmutigt und natürlich auch verunsichert.

Die Geschichte hinter der Geschichte

Als mein Mann und ich mal wieder über das Thema Trockenwerden der Zwillinge sprachen, erzählte er mit etwas, was ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst hatte: Er selber war als Kind ein Bettnässer. Er selbst hatte bis zur Schule in der Nacht ins Bett genässt. Dies war ihm merklich noch bis heute unangenehm und ein sehr sensibles Thema. Er berichtete weiter, dass seine Eltern ihn aus diesem Grunde mehrfach zu Ärzten geschickt hatten, er sogar als Kind, allein ohne Eltern, in einem Schlaflabor beobachtet wurde und die zahlreichen Untersuchungen ihm unglaublichen Druck ausgesetzt hatten. Das Thema war in seiner Familie allgegenwärtig, seine Brüder zogen ihn auf. Er litt. Und zwar mehr unter dem gefühlten Druck, als an dem eigentlichem „Problem“. Alle Untersuchungen brachten kein Ergebnis, nur weitere Untersuchungen mit sich. Ganz unerwartet, mit Eintritt in die Schule hörte das Bettnässen von jetzt auf gleich bei ihm auf. Ich sah wie sehr mein Mann noch in der Nachbetrachtung unter dieser Erfahrung litt, wie sehr in dies geprägt hatte. Da wurde mir klar, dass ich dies für unsere Tochter auf gar keinen Fall wollte.

Ihr Bettnässen solle nicht ein allgegenwärtiges Thema für sie sein. Sie sollte keinen Druck spüren. Wir wollten sie achtsam und feinfühlig bei diesem Thema begleiten.

Wir wollten den schmalen Grad finden. Den Grad zwischen das Kind auffangen und stärken, doch nicht vordergründig, dass es ein bestimmendes Thema war.

Achtsame Begleitung beim Trockenwerden

Also fingen wir an Zwillingsherzdame 1 jede Nacht um 10 Uhr aus dem Bett zu heben, sie auf die Toilette zu setzten, pullern zu lassen, um sie dann wieder ins Bett zu legen. Erstaunlicherweise schlief sie währenddessen mehr oder weniger einfach weiter. Und das Beste war: sie nässte tatsächlich nicht mehr ins Bett und erinnerte sich nicht einmal an unseren nächtlichen Toilettengang. Was war mein Kind stolz! Für uns war klar, so würden wir es machen. Ganze 2,5 Jahre lang setzen wir sie nachts um 22 Uhr auf die Toilette. Vergaßen wir es, gab einen Unfall. Und dann nach vielen nächtlichen Toilettengängen, ging Zwillingsherzdame 1 nachts um 22 Uhr von ganz alleine auf Toilette. Und das in jeder Nacht. Und was soll ich sagen, ab diesem Zeitpunkt war sie auch in der Nacht trocken und ist es geblieben. Und das Beste ist: Das Thema Trocken werden, ist für sie gar kein Thema. Mit unserer Hilfe und Begleitung war und ist ihr gar nicht präsent, wie sehr uns als Eltern die Thematik beschäftigt hat. Und das macht mich für sie unglaublich glücklich! Warum mir dieser Beitrag am Herzen liegt: Wie bei vielen anderen Fragen und Themen auch, zählt der individuelle Blick auf jedes Kind. Jedes Kind macht andere Entwicklungen, zu anderen Zeiten und hat eine andere Ausgangssituation. Der Blick auf mein Kind und seine Bedürfnisse hat geholfen, sie achtsam auf ihrem Weg zu begleiten. Daher verwende ich hier auch den Begriff Trockenwerden und ganz gezielt nicht den Begriff „Sauberkeitserziehung“. Denn aus meiner persönlichen Sicht, hat das Trockenwerden rein gar nichts mit Erziehung zu tun, sondern mit der indivduellen Reife des Kindes. Zu jeder Fragestellungen gibt es viele Kommentare und Meinungen, die wie in unserer beschriebenen Erfahrung, mehr verunsichern, als stärken. Die nicht dienlich sind, sondern unter Druck setzen. Das ist absolut nicht notwendig und schon gar nicht hilfreich. Daher sollten wir uns auch persönlich immer wieder in unseren Äußerungen gegenüber anderen reflektieren. Ich bin gespannt, auf Deine Erfahrungen und Einschätzungen in den Kommentarten. Lust auf mehr Beiträge:

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