Timo ist glücklicher Vater von Zwillingen und teilt in Zwillingspapa werden seine Gedanken, Erfahrungen und Erlebnisse rund um die Schwangerschaft, Geburt, Elternzeit, Wochenbett und die ersten Monate mit Kindern. Wie erlebt er seinen Alltag? Was ist ihm als Partner und Vater wichtig? Und was möchte er anderen Zwillingsvätern mit auf dem Weg geben?
Wie war es für Dich als Du erfahren hast, dass Ihr Zwillinge bekommt? Welche Gedanken und Themen haben Dich beschäftigt?
Im Moment als wir die Nachricht „Es sind zwei“ erhalten hatten, hat mich das nicht überrascht, vielmehr hat es sich für mich spannenderweise komplett „normal“ angefühlt. Fast so als hätte ich damit gerechnet oder das es nichts außergewöhnliches ist oder es einfach alles noch surreal war. Die Nachricht erhielten wir bei einer Notfallsprechstunde wegen leichter Blutungen. Die Frauenärztin meinte nur „oh, ich sehe da zwei Fruchthöhlen“, das könnten Zwillinge werden. Hingegen war die Info der Schwangerschaft an sich, sehr überraschend und hat uns kalt erwischt, denn wir hätten eine Woche später ein Erstgespräch in der Kinderwunschklinik gehabt, da wir uns schon länger Nachwuchs gewünscht hatten.
Nun denn, das „normale“ Gefühl bei der Zwillingsnachricht veränderte sich bald. Die Tage und Wochen danach war ich auf Berg- und Talfahrt mit meinen Gefühlen. Von den Sorgen um die generelle Verantwortung für zwei so kleine Menschleins, dass uns das alles zu zweit zu viel wird, dass wir uns als Paar verlieren, dass uns die Wohnung nicht ausreicht, dass unsere Hände nicht ausreichen, dass wir ein Auto brauchen und wie wir das das finanzieren, generell wie uns das Geld reicht wenn wir beide daheim sein müssten, wie wir unserem Anspruch auf gleichberechtigte Eltern(zeit) wirklich umsetzen können, dass etwas Schlimmes während der Schwangerschaft oder bei der Geburt passiert, kann ich als Vater beiden Kidis gerecht werden, wie will ich Vater sein. Und dem gegenüber stand einfach der ganze Zauber der auf uns wartet und das Privileg zwei Menschenleben von Beginn an gleichzeitig begleiten zu dürfen.
Wie hast Du Dich auf die Geburt und das Leben mit Zwillingen vorbereitet?
Meiner Frau und mir war und ist es schon vor der (Zwillings-)Geburt wichtig, dass wir die Aufgaben und Verantwortung möglichst gleichberechtigt aufteilen wollen. Da dies (leider) nicht der „Standardfall“ ist, suchten wir immer wieder unseren Weg für unsere Bedarfe. Das war nicht leicht. Aber die meisten Tipps und Infos waren auf Einlinge ausgelegt und somit mussten wir für Zwillinge eh alles anpassen. So waren auch sämtliche Vorbereitungen vielmehr ein „Wir“ und weniger „Ich“ und „Du“.
Dennoch war mir persönlich wichtig, Vater nicht erst ab der Geburt zu sein. Sondern von Anfang an. Ich konnte, wollte und durfte bei nahezu allen Vorsorgeuntersuchungen und Vorgesprächen dabei sein. So übte ich schon mal im Prioritäten verschieben und Terminkalender anpassen und wir beide hatten die gleichen Infos aus erster Hand. Das gab mir irgendwie etwas Sicherheit und meiner Frau Entlastung in der Verantwortung für Informationen, Fragen und Entscheidungen. Wir haben eine gemeinsame Familienvision erarbeitet. Das kostet alles natürlich Zeit, Nachsicht und Energie. Aber jede Anstrengung hat sich bisher gelohnt.
Ich hab mich viel um das „Bürokratische“ gekümmert. Das war ein Gefühl, dass ich diesen Teil verantworten und übernehmen kann, während meine Frau gerade die Verantwortung in ihrem Bauch trägt. Viele Infos hab ich von Podcasts, Büchern und Gesprächen im Familien- und Bekanntenkreis eingeholt. Und eben alles immer wieder auf uns angepasst. Das kostete Energie, Hirnschmalz, Abgrenzung und Gelassenheit. Das Entdecken der Es-sind-zwei Welt (v.a. Geburtsvorbereitungskurs inkl. Begleitinfos, Podcast, Blog) war für uns und mich ein richtig großer Gewinn. Endlich Listen und Tipps auf Zwillinge angepasst und von Menschen, die eine ähnliche Vorstellung von Zwillingselternsein haben wie wir.
Und zu guter Letzt, können sich sowohl meine Frau als auch ich sehr gut in das Leben mit Zwillingen reinversetzten – wir beide sind selbst Zwilling. Das ist oftmals hilfreich, manchmal aber auch hinderlich. Unsere eigenen Erfahrungen decken sich (zum Glück) nicht. Meine Frau hat zu ihrer Zwillingsschwester ein eher angespanntes Verhältnis, während ich zu meinem Zwillingsbruder ein sehr gutes Verhältnis habe. Das erdet uns, dass nichts selbstverständlich ist, aber alles möglich sein kann welche Beziehung die beiden zueinander haben werden.
Hast Du Elternzeit bzw. Elterngeld genommen und wie lange?
Die ersten drei Monate hatte ich 100% Elternzeit, danach arbeite ich nun 24h/Woche (Teilzeit in Elternzeit). Unser Plan ist, dass wir nach dem 1.LJ einen Wechsel machen: Meine Frau startet dann mit 60% und ich gehe für 4-5 Monate nochmal komplett in Elternzeit.
Wir machen Elterngeld-Plus. Um den Antrag möglichst einfach zu halten, bezieht erstmal meine Frau den Großteil des Elterngeldes. Ich habe die Partnermonate und dann die Zeit während ich ab dem 1.LJ alleine daheim bin beziehe ich natürlich Elterngeld.
So sind die ersten 2 Jahre grob abgedeckt. Wie es dann weitergeht schauen wir wie es mit Kita bzw. allgemein der Betreuung der beiden aussieht.
Wie hast Du die Geburt Deiner Zwillinge erlebt?
Die Geburt wurde bei SSW 38+4 geplant eingeleitet. Wir hatten das Glück unsere Entbindungshebamme und die Oberärztin bereits im Vorfeld kennen zu lernen und die uns in unserem Vorhaben einer spontanen Geburt bestärkt haben. Zum Glück konnten wir ein Familienzimmer beziehen. Ich konnte immer bei meiner Frau sein. Außer beim CTG durfte ich nicht dabei sein. Dort gab es dann zwei Schlüsselmomente, erste richtige Wehen und der Blasensprung.
Die Geburt an sich ging dann sehr flott. Nachdem die Fruchtblase geplatzt ist, wurde meine Frau direkt in den Kreißsaal gefahren. Dort war es erstmal sehr ruhig, entspannte Stimmung des Personals, gedämpftes Licht und Geräusche. Bis unsere Hebamme kam, waren wir zum Teil auch alleine zu zweit (viert) im Kreissaal, was eine Mischung aus Hilflosigkeit und Intimität hatte. Ich hatte nur noch Augen für meine Frau. Ich fühlte mich nicht fremd in dem Raum, obwohl ich zum ersten Mal dort war. Eine witzige Anekdote: Meiner Frau war einer ihrer Arme „im Weg“ sodass meine spontane Aufgabe war, ihr diesen Arm in die Höhe zu halten, was sofort Gesprächsstoff war sobald jemand neues in den Kreißsaal kam.
Dann kamen unsere Hebamme und die Oberärztin und ich legte mein Vertrauen in die Hände dieser drei starken Frauen, meiner Frau, der Hebamme und Oberärztin. Und natürlich meiner beiden Zwergen. Ich war erstaunt wie spät bei der Geburt die Hebamme erst wirklich „eingreifen“ kann. Faktisch erst als der Kopf schon draußen ist. Ich war neben mir und doch voll im Moment. Hier kommen meine Kinder auf die Welt. Ehrfurcht. Ich fühlte mich machtlos und doch ein wesentlicher Teil. Einfach da sein. Ich war recht still und hielt einfach den Arm meiner Frau nach oben. Ich merkte ein Urvertrauen dass alles gut geht und meine Sorgen und Ängste waren wie weggeblasen. Es wurde gelacht und meine Frau war soo unfassbar tapfer und stark. Welche Kräfte frei werden um solche Schmerzen zu ertragen. Könnte ich das?
Zwilling 1 schob sich schrittweise wie scheinbar im Bilderbuch durch den Geburtskanal. Über 3kg, eine kleine große Überraschung. Er war ganz entspannt. Ich soll zu ihm, so haben es meine Frau und ich vereinbart. Es zerriss mich, mir kamen die Tränen als ich mich von meiner Frau trennen musste und sie mit der Geburt von Zwilling 2 „alleine“ lassen musste. Aber ich war bei unserem Kind. Was ein Gefühlschaos, wie in Trance. Zum Glück waren die ersten Untersuchungen einfach 1 Meter neben meiner Frau. Sodass ich gar nicht weit weg war. Trotzdem bekam ich fast nichts von der Geburt von Zwilling 2 mit. Mein Urvertrauen war wieder da. Die machen das schon, in aller Ruhe. Zwilling 2 hat sich noch in Schädellage gedreht und „rutschte“ 10min später wie Zwilling 1 fast durch. 2,2 kg. Offene Augen, wacher Blick und direkt auf Mamas Brust. Die Untersuchungen von Zwilling 1 liefen problemlos, sodass ich ihn auf meine nackte Brust bekam. So durfte ich mich auf einen gemütlichen Sessel neben meine Frau und Zwilling 2 setzen. Jetzt waren wir innerhalb von 10min zu viert.
Ach ja, wir waren dann sehr schnell wirklich nur zu viert. Die ganze Masse an Menschen die peu á peu reinkamen, waren auch fast so schnell wieder draußen (zum Glück). Die Nabelschnur von Zwilling 2 durfte noch auspulsieren und es wurde erst später untersucht. Nach 30min wartete noch ein Kraftakt – die Nachgeburt. Mir machte der Anblick des Blutes und der Planzenten und Fruchtblasen komischerweise nichts aus. Die Zeit steht still. Alles lief ohne größere Komplikationen. Dankbarkeit, Demut und Freude machte sich breit. Es war irgendwie 22.00 Uhr als wir aus dem Kreissaal kamen. Alle Sorgen waren wir weggeblasen – die kamen ziemlich schnell als wir auf einmal Entscheidungen für die beiden treffen mussten und sie nicht mehr durch Mama rundum versorgt wurden.
Beschreibe gerne einmal Dein Erleben der Wochenbettzeit bzw. der ersten Monate im Leben als Zwillingspapa…
Überforderung auf allen Ebenen, Alltagskopfstand und -mixxer, müde, keine freie Hand, keine Zeit zum Einkaufen, kein Alltag wie vorher, Fremdbestimmt.
Um ehrlich zu sein, hat mich die Zeit einmal in alle Einzelteile zerlegt und ich musste mich wieder neu zusammensetzen. Trotz aller Vorbereitungen. Vielleicht auch deswegen. Aber keine Zeit das weiter zu hinterfragen. Denn ich war/bin gefordert. Haushalt, Kochen, Waschen, Spülen, Sterilisieren, Organisieren, Einschlafbegleiten, Fläschchen geben, Muttermilch verwalten, Ausruhen, Wahrnehmen und Bewerten und Abgrenzen von eignen Erwartungen und denen von außen, Geschenke entgegennehmen und auspacken, Pakete annehmen und Papierkram erledigen. Alles außer Einkaufen und Handy tippen. Ich hatte einfach kaum eine freie Hand im wahrsten Sinne des Wortes fürs Handy. Ungewohnt war für mich, dass ich all diese Dinge selten in einem Zug zu Ende bringen konnte, sondern sie oft unterbrechen musste, weil irgendwas oder irgendwer dazwischen kam.
Bei all dem hatte meine Frau zum Glück kaum Geburtsverletzungen und war einfach so schnell mobil und sehr fit und die Zwillinge entwickelten sich prächtig. Sie sind total unterschiedlich aber beide gesund mit starkem Charakter. Meine Frau und ich griffen uns überall unter die Arme wo es nur ging. Oft ohne Absprachen. Das war so eine tiefe Verbundenheit obwohl wir wenig Zeit füreinander hatten. Wir waren füreinander da, jede*r mit den Kräften die man im Moment hatte.
Auf meiner Gefühlsebene gab es einen totalen Erwartungscrash. Ich hatte eine idyllische Vorstellung, entspannter, schöner, ruhiger. Ich hatte gefühlt erstmal wenig Zeit mit den Babys, da vieles andere zu tun war. Ich war überfordert mit mir. Mit der Verantwortung und zum Teil auch Hilflosigkeit. Unsere Hebamme hat uns super unterstützt um eine Struktur zu erlangen und trotzdem fühlte ich mich alleine und hilflos. Da Zwilling 1 an der Brust gut trank und es bei Zwilling 2 nicht so einfach war, ergab es sich, dass Zwilling 2 mit der Flasche gefüttert wurde. Meine Frau pumpte Muttermilch ab. Das war ein riesengroßer Akt, organisatorisch und natürlich zeitlich. Ich kümmerte mich primär um Zwilling 2. Bis heute. So habe ich als Vater auch einen Art Stillrhythmus 😉.
Ich wusste auf einmal nicht mehr, ob ich das so schaffe wie ich mir das gewünscht hatte. Die 3 Monate Elternzeit waren sooo wichtig. Wir haben keine direkte Familie in der Nähe. Bekamen Unterstützung von lieben Freund*innen so gut es ging. Und trotzdem waren wir oft auf uns allein gestellt. Die 3 Monate vergingen wie im Flug. Von klassischer Erholung oder gar Freizeit war wenig in Sicht. Es drehte sich einfach sehr sehr viel um die beiden.
Wie alt sind Deine Zwillinge heute?
5,5 Monate
Wie gestaltet sich Euer Alltag heute? Wer übernimmt welche Aufgaben / Tätigkeiten?
Nach den 3 Monaten Elternzeit startete ich wieder mit 24h/Woche. Zum Glück sind mein Arbeitgeber und die Menschen mit denen ich arbeite sehr verständnisvoll und ich flexibel. Wir leben von Woche zu Woche. Probieren uns immer wieder von Erwartungen zu lösen und unsere Vorhaben den beiden anzupassen. Es bringt einfach nichts deren Bedürfnisse zu übergehen, sie fordern sie ein, ob es uns passt oder nicht.
Meine Frau rockt den Alltag mit den beiden daheim und ist meistens froh wenn ich von der Arbeit zurück bin. Für mich geht’s dann nahtlos weiter mit Spazieren gehen, Babys tragen, Füttern, Wickeln, ins Bett bringen. Wenig Zeit zum Ausruhen. Weder für mich noch für meine Frau. Wenn ich morgens gegen 08:30 auf die Arbeit fahre, ist schon so viel passiert.
Die beiden gehen aktuell gegen 19Uhr ins Bett und sind zwischen 5 und 6 wach. Wir haben abends etwas Zeit für uns bzw. ohne „zwei Aufgaben“ zu Kochen, Essen, Haushalt machen. Unsere heiß geliebten Abendspaziergänge vermissen wir sehr. Ich war oft draußen im Grünen zu jeder Tag und Nachtzeit. Das vermisse ich aktuell auch. Wir haben keine strenge Aufgabenverteilung. Beide machen alles was gerade ansteht und wo gerade unsere Energie ist. Das einzige was konstant bleibt, ist dass Zwilling 1 lediglich die Brust von der Mama braucht und Zwilling 2 die Flasche bekommt.
Was möchtest Du anderen Zwillingsvätern mit auf den Weg geben?
Puh so vieles möchte ich mitgeben und eigentlich auch gar nichts. Jede Situationen und Möglichkeiten sind anders. Auch die Wünsche und Vorstellungen unterscheiden sich. Werdet euch dem ganzen am besten vor der Geburt klar! Ich habe nach der Geburt erstmal nur funktioniert. Die Zeit zum Verarbeiten kam langsam, war dann aber auch rar.
Als Zwillingspapa wirst du (vermutlich) gebraucht. Mir hat geholfen mich mit der Rolle und meinem Bild von Vatersein zu beschäftigen und das mit meiner Frau zu besprechen. Das war meine Richtschnur für die ganzen Schritte. Auch wenn es anstrengend und ungemütlich war: Nehmt euch so viel Elternzeit wie es (finanziell) geht! Steht für eure Kinder in dem ihr z.B. beim Arbeitgeber mal ungemütlich werdet weil ihr auf euer Recht besteht und ungewohnt viel Elternzeit nehmt oder die Freizeit-/Vereinsaktivitäten schonmal vorbereiten, dass vermutlich weniger Zeit bleibt. Eure Frau, die Kinder und am Ende auch du selbst wirst es danken.
Gib dir Zeit im Ankommen als Vater von Zwillingen. Vieles war für uns neu und ungewohnt. Hab den Mut in unklaren Situationen deinem Bauchgefühl zu vertrauen. Macht euch drauf gefasst dass ihr mit Zwillingen oft was Besonderes seid, herausstecht aus der Menge an Kinderwagen und trotzdem noch nicht so besonders, als dass ihr besondere Unterstützung seitens des Staates oder Krankenkasse bekommt.
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