Gewalt unter der Geburt: Ein Erfahrungsbericht

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„ Wenn sie jetzt nicht sofort stillhalten, dann bekommen sie eine Vollnarkose“

sagt die Hebamme zu mir bei der Vorbereitung auf den Kaiserschnitt.

Was sich wie in einem schlechten Erpresserfilm anhört, ist ein Satz den ich wohl so schnell nicht vergessen werde. Denn ich war der Adressat dieser Botschaft. Mein persönlicher Erfahrungsbericht zum Thema Gewalt in der Geburtshilfe.

Ich saß auf dem OP-Tisch, im Hemdchen, ohne meinen Mann oder anderer bekannte Menschen und hatte Wehenschmerzen. Es war SSW 28.0 und nach mehreren Wochen Liegezeit im Krankenhaus und trotz wochenlanger Gabe von Wehenhemmern, ließen die Wehen sich nicht mehr aufhalten. Die vorhergehende vaginale Untersuchung zeigte, dass sich das Fruchtwasser grünlich verfärbt hatte. Die Ärzte entschieden, die Zwillinge müssen sofort mittels Kaiserschnitt geholt werden.

So früh, viel zu früh. Doch nachdem ich bereits seit der 19 SSW im Krankenhaus lag, war ich stolz es trotz allem soweit geschafft zu haben. Meinen Kindern die Möglichkeit geben zu können, auf diese Welt zu kommen. Ich habe seit dieser Schwangerschaftswoche im Bett gelegen, durfte nur zum „großen Geschäft“ aufstehen, ansonsten musste ich liegen. Ich habe mich im Bett gewaschen, im Bett gegessen, im Bett gelebt oder was man in solch einer Situation Leben nennt.

Ich bekam über 3 Wochen lang Antibiotika, parallel dazu Wehenhemmer, die meine Hände beständig stark zittern ließen. Dazu Eisen und Magnesium, die ersehnte Lungenreifespritze und versuchte bei all dem ruhig und auf das Gedeihen meiner ungeborenen Babys fokussiert zu bleiben. Ich gab mein Bestes für uns.

Und nun, wo meine Babys zu früh und nicht spontan auf die Welt kommen sollen, ich alles in meiner Macht stehende getan habe, um sie so lange wie möglich in mir zu halten, höre ich:

„ Wenn sie jetzt nicht sofort stillhalten, dann bekommen sie eine Vollnarkose“

Die Drohung wirkte.

Und plötzlich stieg ein neues, sehr starkes Gefühl in mir auf.

Absolute Wut.

Ich war wütend. Nicht auf mich, sondern auf diese Frau, die drohte meinem Wunsch, die Kaiserinnengeburt miterleben zu können, mich vom ersten Moment an versichern zu können, dass meine beiden Zwillingsbabys trotz Kaiserschnitt und leben,  zu zerstören. Ich wollte Ihr zeigen, dass mich nichts davon abhalten könnte und

…parierte.

Wie ein Tier, welches in die Ecke gedrängt seine letzen Kräfte mobilisiert….

Meine Kinder wurden per Bauchgeburt geboren und direkt auf der Neonatologie versorgt. Mein Mann, der während des Kaiserinnenschnitts bei mir sein konnte, begleitet unsere Babys.

Die Ereignisse der nächsten Wochen überschlugen sich. Das Leben mit Frühchenzwillingen war im vollen Gange. Und doch, trotz eines vollen Alltags, kam mir in ruhigen Momenten immer wieder dieser Satz und die Situation in den Sinn.

Erst mit dem Buch „Gewalt unter der Geburt“ *(Affilliatelink) wurde mir wirklich bewusst, dass diese Drohung in den Bereich „psychische Gewalt“ fällt. Solche und äquivalente Drohungen, sollten bei Fachpersonal absolut tabu sein. Dass dies leider aber in nicht wenigen Kliniken Gang und Gäbe ist, zeigt das Buch sehr eindrucksvoll und motiviert hoffentlich alle Beteiligten ob Opfer oder Täter, sich der Thematik Gewalt unter der Geburt anzunehmen. Im Sinne eines respektvollen, wertschätzenden Miteinanders, dürfen psychische und physische Gewalt keinen Raum in unserer Gesellschaft haben.

Mit diesem Hintergrund, war es mir ein Anliegen, im Zuge des heutigen Roses Revolution Tages, anhand meiner persönlichen Erfahrung, zur Sensibilisierung beizutragen.

Gewalt bleibt Gewalt, unabhängig davon in welcher Form diese auftritt.

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