Im ersten Teil hat Susi über die unverhoffte Zwillingsschwangerschaft, den Verlauf und ihre vielen Fragen berichtet. Heute kannst Du lesen, wie sie die ersten Wochen mit ihren Zwillingsfrühchen erlebt hat.
Wir schafften die 30 SSW knapp.
Die Jungs wogen 968 Gramm und 1140 Gramm.
Ich konnte beide kurz sehen und schon wurden sie abtransportiert auf die Kinderintensivstation. Mein Partner ging mit ihnen.
Ich war schock verliebt und erleichtert, die Beiden in guten Händen zu wissen, die Verantwortung abzugeben, meine Plazenta hätte sie nicht weiter versorgen können.
Die darauffolgenden Wochen waren wohl die größte Herausforderung meines Lebens.
Wir mussten funktionieren und Alles um diese Krankenhausblase herum ausblenden.
Unsere einzige Aufgabe war es den Jungs diesen schwierigen Start zu versüßen, so gut es eben ging.
Ich hatte mich nie wirklich damit beschäftigt, dass es Kinder gibt, sie so winzig und dünn auf die Welt kommen. Da lagen die zwei angeschlossen an Schläuche und Kabel, verbunden an piepsende Monitore, verpackt in gläserne Inkubatoren. Im Gesicht eine Atemhilfe.
Die Beiden waren in unseren Augen perfekt.
Witzigerweise zeigten sich damals schon Charakterzüge wie z.B. Willensstärke.
Ich hatte Anfangs große Probleme damit, den NiP Schwestern (Neugeborenen-Intensivpflege) zu vertrauen, ich hatte Angst, sie würden nicht bemerken, wenn die Atmung nicht richtig funktioniert oder wenn ein anderes Problem eintritt, nicht schnell genug gehandelt werden würde. Ich hatte jeden Morgen Angst die Station zu betreten und Panik davor eine erschreckende Nachricht zu bekommen.
Hierzu kann ich im Nachhinein sagen: Nipschwestern sind Profis, man muss in so einer Situation Vertrauen schenken und Verantwortung abgeben. Eigentlich würde ich sie sogar Ersatzmamas nennen. Ja – so habe ich das empfunden.
Bis auf Gelbsucht, offenem Duktus und Antibiose wegen einer Keiminfektion kamen wir glimpflich davon. Ich fing ein paar Stunden nach der Sectio (Kaiserschnitt) an Milch abzupumpen, welche ihnen von da ab via Magensonde gefüttert wurde.
Wir verbrachten ca. 7 Wochen auf der Kinder-Intensivstation.
Bis zur 36. Woche dauerte es, bis die Jungs stark genug waren ohne Sauerstoffhilfe zu atmen. Die Magensonde wurde schon früher gegen ein Fläschchen getauscht.
Sie nahmen an Gewicht zu und entwickelten sich weiter. Die Verkabelung wurde immer weniger und immer öfter durften sie zusammen in einem Bettchen liegen.
Wir waren so stolz auf die Beiden.
Wir hatten viele Physiotermine, in welchen uns gezeigt wurde, wie man Frühchen richtig anfasst oder mit welchen Übungen die motorischen Fähigkeiten etwas angeschubst werden können. Jeden Tag – vom ersten Tag an, durften wir die zwei stundenlang kuscheln (Kanguruhen) was unglaublich wichtig ist für das Urvertrauen.
Wir lasen ihnen Geschichten vor, damit sie unsere Stimmen hörten.
Mit der Zeit fütterten wir und versorgten sie tagsüber gänzlich selbst.
Uns hat damals geholfen nur vom heutigen bis zum morgigen Tag zu denken, sich über kleine Schritte zu freuen und nicht ständig eine Entlassung nach Hause herbeizusehnen.
8 Tage vor dem errechneten Termin wurden wir entlassen.
Wir waren so stolz und glücklich und unendlich dankbar – endlich konnten wir nach Hause, als Familie.
Die Jungs werden im Juli 3 Jahre alt. Sie sind genauso entwickelt wie andere Kinder in ihrem Alter, sprechen teilweise besser, der eine will ein Jäger werden, der andere ein Zimmermann.
Klar, hatten sie mit frühchenbedingten Entwicklungsverzögerungen zu kämpfen, sie krabbelten später als sie sollten und sitzen konnten sie glaube ich an ihrem ersten Geburtstag noch nicht. Durch die Entwicklungschecks der U‘s sind sie gnadenlos durchgerasselt in den ersten Monaten. Völlig egal. Kinder holen das alles auf.
Ich habe diese Geschichte aufgeschrieben, nicht um Angst einzuflößen oder gar Mitleid zu bekommen. Klar, war diese Zeit im Krankenhaus beschissen, aber es hat sich gelohnt das durchzustehen.
Ich möchte mit meiner Geschichte Mut machen.
Ein Risiko eingehen, heißt nicht dass ein Worst Case eintreten muss. Das Wort Unterversorgung heißt nicht zwingend, dass etwas grundsätzlich nicht stimmen muss.
Und eine kritische Bemerkung eines Arztes, heißt nicht, dass man eine Schwangerschaft nicht genießen darf oder die Schuld bei sich suchen muss.
In unserem Fall ist Alles, wirklich Alles gut gegangen.
Man sollte auf sein Bauchgefühl hören, hinterfragen und sich wenn nötig eine zweite Meinung einholen.
V. und H. sind gesund, streiten und lachen den ganzen Tag.
So.
Um mir meine Fragen und Ängste von ganz oben unverblümt selbst zu beantworten:
Ja, wirklich jeder ist dieser Herausforderung Zwillinge großzuziehen gewachsen.
Natürlich gibt es vor allem in den ersten Monaten immer wieder kurze Phasen, die aufreibend sind. Aber die gehen vorüber. Immer wieder. Das sind nur Momente. Man hat zwischendurch Zeit, Kraft zu schöpfen und aufzutanken. Ich hatte Heulkrämpfe, totale Erschöpfung bis hin zu Resignationsmomenten. Das zieht sich bis heute. Wird aber immer seltener.
Aber das hat, glaube ich, so gut wie jede Mutter. Es gibt Situationen, da bin ich hoffnungslos überfordert, aber man handelt meistens intuitiv richtig.
Außerdem lache ich jeden Tag so viel mehr als vor meiner Schwangerschaft. Ich habe unfassbar viel Spaß! Schlaf kann man immer irgendwie nachholen, falls es mal nötig ist.
Wir haben anfangs Hilfe angenommen – von unseren Müttern und Geschwistern. Auch das mussten wir erst lernen zuzulassen.
Wenn man zurück in die Arbeitswelt möchte nach einiger Zeit – schafft man das. Man wird Organisationstalent. Ich freue mich jede Woche auf meine 1,5 Arbeitstage , darauf wieder andere Eindrücke zu sammeln.
Wie verteile ich meine Liebe gerecht?
Nicht darüber nachdenken, ob man seine Aufmerksamkeit auf eins oder mehrere Kinder aufteilen muss, ist vollkommen egal. Jedes Kind bekommt in der Summe gleichviel, wenn auch manchmal abwechselnd.
Natürlich hat mich diese Nachricht „ Da sind zwei schlagende Herzen „ im Nachhinein vollkommener gemacht, als ich es mir je erträumen hätte können.
Ich platze vor Glück diese Aufgabe zugeteilt bekommen zu haben.
Wenn ich an dieses ungeordnete Chaos in meinen Gedanken im ersten Trimester zurück denke, muss ich fast schmunzeln – das Drama hätte ich mir ersparen können.
Mit der Zeit im Krankenhaus habe ich schon lange gänzlich abgeschlossen.
Alles Liebe
Susi
Liebe Susi, danke für diesen grundehrlichen Bericht und Dein Vertrauen. Wir sind uns ganz sicher, dass dieser vielen werdenden Zwillingsmüttern Mut und Zuversicht schenken wird.
Wir wünschen Dir und Deiner Familie von Herzen viel Freude, Gesundheit, Lachen und Liebe.
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Zwillingstalk: Frühchenmamas Übergang vom Krankenhaus nach Hause
Ich kann mich dort sehr gut aus der Perspektive des Partners hineinversetzen. Sehr schön geschrieben. Habe mich und die zwei Mehrlingsschwangerschaften teilweise wieder entdecken können. Vielleicht schaut ihr auch mal bei uns vorbei. mehrlingswahnsinn.de | Wir leben mit Zwillingen und Drillingen im dritten Stock einer 4-Raum Wohnung. Bei uns ist eigentlich auch immer was los. Sehr ansprechend euer Blog.