Die Frage, die ich einmal selbst gestellt habe und die mir in den tausenden Gesprächen mit Zwillingseltern am häufigsten gestellt wurde war von Zwillingseltern: Wann wird es leichter? Bevor ich hier darüber schreibe, möchte ich dir eine kurze Anekdote aus meinem Leben erzählen.
Als meine Zwillingsherzdamen ca. 1 Jahr alt waren, traf ich beim Einkaufen an der Kasse einen Zwillingsvater mit ca. 3 Jahre alten Zwillingen in einem Fahrradanhänger. Wir lächelten uns verständnisvoll an und ich nahm mein Herz in die Hand und fragte, die Fragen aller Fragen: Wann wird es leichter? Seine Reaktion werde ich nie vergessen. Er fing herzlich an zu lachen und sagte: „Naja, wenn ich ehrlich sein soll, dann wird es anders. Tut mir leid, mehr kann ich dazu nicht sagen, denn leicht ist es auch jetzt mit drei Jahren nicht…“
Jetzt, mit Rückblick auf die letzen 11 Jahre als Zwillingsmama, kann ich sagen: Ich verstehe genau, was er mir mit auf den Weg geben wollte und auch ich kann bestätigen, es wird anders!
Das Leben mit Zwillingsbabys
Plötzlich sind da! Zwei Babys. 24 Stunden Stillen, Füttern, Wickeln, Versorgen…es ist eine neue Welt in die wir von jetzt auf gleich eintauchen und die uns wenig Raum zum Atmen lässt. Dazu kommt der Schlafentzug, der an unseren Kräften zerrt. Für manche Zwillingseltern bei aller Liebe kaum zu erwarten, etwas mehr Freiraum zu gewinnen, Momente des Zusammenspielens zu genießen, für andere Zwillingseltern eine Zeit, die sie bei allen Herausforderungen voll genießen können. Niemand kann sich im Vorhinein vorstellen, wie sehr diese kleinen Wesen uns und unser Leben verändern. Wie viel Liebe und Emotionen, wie viel Sorge und Verantwortung uns überrollt. Es erfüllt und belastet uns gleichzeitig. Manchen Eltern fällt es schwer mit dieser Fülle an Emotionen zurechtzukommen. 100% für diese Kinder dazusein, diese kleinen Menschlein mit der vollen Wucht der Verantwortung in den ersten Monaten zu begleiten, erlaubt die Frage: Wann wird es leichter?
Das Leben mit Zwillingskleinkindern
Die Zwillinge werden mobiler. Sie krabbeln und ziehen sich hoch, sie interagieren miteinander, sie beginnen zu laufen. Wir freuen uns über diese neuen Entwicklungen und stehen doch vor neuen Herausforderungen. Das Zuhause wird erkundet, mal gemeinsam, mal getrennt, Spaziergänge können zum absoluten Stressfaktor werden, weil die Welt erkundet werden möchte. Es gibt so vieles zu entdecken, doch nicht immer möchten beide Kinder dieselben Dinge erkunden. Unsere Augen und Ohren sind überall, wachsam, wir rennen und reden und manchmal wünschen wir uns vielleicht die Zeit zurück, in der sie noch als Babys genüsslich an uns gekuschelt bei uns lagen und schliefen und stillten…
Das Essen wird entdeckt und fliegt uns nicht selten, um die Ohren. Unser Zuhause ist ein Chaos und wir räumen, räumen, räumen.
Sie beginnen zu brabbeln, ihre Stimme immer mehr einzusetzen und es wird laut. Wunderschön, wie sie ihre Stimmen entdecken und doch nicht selten eine Belastungsprobe für unsere Ohren.
Wir fallen abends ins Bett und fragen uns: Wann wird es leichter?
Das Leben mit Zwillingen in der Autonomiephase
Die Kinder zeigen von Tag zu Tag immer mehr ihren Charakter. Sie entdecken sich selbst, ihre Wünsche und sind doch häufig so unzufrieden mit sich selbst, weil sie noch nicht immer können, was sie gerne würden. Von jetzt auf gleich schmeißen sie sich auf den Boden und brüllen, akzeptieren kein nein, möchten die Welt erobern und merken doch all zu oft ihre Grenzen. Gleichzeitig freuen sie sich über alles Neue, was sie mit uns entdecken können. Sie finden Spielkameraden und Freunde, spielen miteinander und entdecken ihre Individualität. Ihre Geschwisterbeziehung festigt sich immer mehr ob in Konkurrenz, Freundschaft oder als Team. Sie reiben sich aneinander, profitieren und lernen voneinander und treiben uns damit an manchen Tagen in den Wahnsinn. Unglaublich diese Entwicklungen zu betrachten, diese zwei Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten und doch wünschten wir uns manchmal, dass es leichter wäre…
Das Leben in der Wackelzahlpubertät
Die Kindergartenzeit neigt sich dem Ende, die Grundschule beginnt. Ein großer Lebensabschnitt mit vielen Veränderungen. Die Zwillinge werden von Tag zu Tag selbstständiger, bilden mehr und mehr ihre Meinung. Möchten Grenzen austesten, möchten mitbestimmen, diskutieren, eigene Wege gehen. Sie brauchen uns und doch möchten sie uns weniger brauchen.
Ihre Beziehung untereinander prägt sich mit der Entwicklung ihrer Individualität mehr und mehr aus. Kämpfe, Streit, gemeinsames Spiel, Diskussionen, prägen nicht selten den Alltag. Eine emotionale und laute Phase mit Höhen und Tiefen auf allen Seiten. Und die Frage bleibt, wann wird es leichter?
Zwillingseltern: Wann wird es leichter?
Nun stehe ich hier, nach 11 Jahren Zwillingsmamadasein und erinnere mich an das Gespräch mit dem Zwillingspapa an der Kasse. Und er hatte Recht: Es wird anders! Vieles wird leichter, anderes schwerer. Jedes Alter hat seine Besonderheiten, seine speziellen Herausforderungen, mit denen wir manchmal mehr und manchmal weniger gut oder souverän umgehen können. Das kennen wir alle!
Am Ende des Tages sind es bisher unfassbar erfüllte Jahre gewesen und ich möchte keinen einzigen Tag davon missen! Denn die Liebe, das unbedingte Vertrauen, die Erfüllung als Zwillingsmama, lässt mich all die schweren Tage und Zeiten an denen ich über Grenzen ging, am Ende der Kräfte war, vergessen. Es ist für mich einfach ein unglaubliches Glück mit Kindern beschenkt zu sein. Sie haben mich wachsen lassen, mich in einer weiteren Rolle mich selbst entdecken lassen und fordern mich jeden Tag neu heraus. Mit ihrer Liebe und ihren Bedürfnissen.
Liebe Zwillingsmama, lieber Zwillingspapa, zu gerne würde ich Dir eine klare Antwort geben, die du so sehr ersehnst. Doch aus dem Blickwinkel meiner Erfahrungen, ist es nicht möglich diese Frage, der Fragen, klar zu beantworten. Vielmehr wünsche ich dir, dass du jede Phase, jede Entwicklung mit all ihren wunderschönen Seiten, genießen kannst. Du Momente findest in denen du dir bewusst machen kannst, was dir geschenkt wurde und mit diesem Glücksgefühl im Herzen, die Tage und Phasen bewältigen kannst, die dich an die Grenzen bringen.
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